Was ist GT20029 eigentlich?
GT20029 sorgt derzeit für Aufsehen und könnte das langersehnte Wundermittel gegen erblich bedingten Haarausfall sein – und das mit minimalen Nebenwirkungen. Entwickelt von Kintor Pharma in China, wird GT20029 als topisches, also äußerlich anzuwendendes Medikament erforscht.
Anders als das bekannte Minoxidil, das das Haarwachstum anregen soll, zielt GT20029 direkt auf die Ursache des Haarausfalls ab: Es baut nämlich die Proteine ab, die für den Haarverlust verantwortlich sein sollen. Klingt spannend? Ist es auch! Denn GT20029 gehört zur innovativen Klasse der PROTACs – das sind kleine Moleküle, die dem Körper gezielt „mitteilen“, welche Proteine entsorgt werden sollen. Und wer hätte es gedacht: Auch die Androgenrezeptoren, an die das „böse“ Dihydrotestosteron (DHT) bindet – der Hauptschuldige des erblich bedingten Haarausfalls – sind aus Proteinen aufgebaut.
„Anders als Finasterid beeinflusst GT20029 den DHT-Spiegel nicht, sondern sorgt dafür, dass das DHT keinen Schaden anrichten kann.“
Genau hier setzt GT20029 an. Es sorgt laut Kintor Pharma dafür, dass diese Androgenrezeptoren gezielt abgebaut werden. Dadurch soll verhindert werden, dass Haarfollikel schrumpfen und das Haar dünner wird oder ganz ausfällt. Und die besten Nachrichten? All das soll mit nur geringen Nebenwirkungen möglich sein.

Bislang stammen die Informationen allerdings hauptsächlich vom Hersteller – die wissenschaftlichen Studien dazu sind noch ausständig. Doch keine Sorge, diese sollen schon bald folgen!
Wann kommt GT20029 auf den Markt?
Im April 2024 wurde ein bedeutender Meilenstein erreicht: Die Phase II-Studie zur Behandlung von Haarausfall mit dem innovativen Wirkstoff GT20029 wurde in China erfolgreich abgeschlossen. Als nächster Schritt steht damit der Start der entscheidenden Phase III-Studie in China sowie eine geplante Phase II-Studie in den USA an. Doch was bedeuten diese Phasen eigentlich?
In Phase I-Studien wird ein neues Medikament zum ersten Mal an (gesunden) Menschen getestet. Phase II geht einen Schritt weiter – hier wird der Wirkstoff an Menschen mit den relevanten Symptomen, in diesem Fall Haarausfall, erprobt. In Phase III wird der Wirkstoff schließlich an einer noch größeren Gruppe getestet. Besteht er auch diese Hürde, kann der Hersteller eine Zulassung für den Markt beantragen.
Bei der Phase II-Studie mit GT20029 lag der Fokus darauf, die optimale Dosis für die nächste Phase festzulegen. Die ersten Ergebnisse aus dieser kurzen Studie sind vielversprechend: In der Versuchsgruppe stieg die Haaranzahl innerhalb von 12 Wochen um beeindruckende 11,94 Haare pro Quadratzentimeter an. Auch in der Placebogruppe gab es einen leichten Anstieg an Haaren – allerdings um 7,36 Haare weniger im Vergleich zur Versuchsgruppe. Besonders hervorzuheben ist, dass GT20029 gut vertragen wurde und das Sicherheitsprofil ähnlich dem der Placebogruppe war.

GT20029 könnte das erste PROTAC überhaupt sein, das zur Behandlung von Haarausfall auf den Markt kommt. Damit bietet es eine vielversprechende Alternative zu bisherigen Optionen wie Minoxidil und Finasterid. Allerdings ist noch etwas Geduld gefragt, denn Phase III-Studien können mehrere Jahre dauern. Es wird also noch einiges an Zeit vergehen, bis das Mittel in den USA und Europa erhältlich sein könnte.
Könnten PROTACs wie GT20029 die Behandlung von Haarausfall revolutionieren?
Bereits 2023 wurde eine wegweisende Studie veröffentlicht, in der ein PROTAC, ähnlich dem GT20029, bei Haarausfall an Mäusen getestet wurde. Eine der größten Herausforderungen bei der Anwendung von PROTACs ist, dass die Moleküle sehr groß sind und bei Anwendung auf der Haut Schwierigkeiten haben, tief genug in die Haut einzudringen, um die Haarfollikel zu erreichen. Um dieses Problem zu lösen, entwickelten die Forscher:innen ein spezielles Patch mit winzigen Nadeln, das den Wirkstoff direkt an den Zielort bringt.
💡 Detaillierte Informationen zu androgenetischer Alopezie findest du hier.
In der Studie wurden die Mäuse zunächst rasiert. Anschließend wurde ihnen Testosteron auf die Haut aufgetragen, um eine androgenetische Alopezie zu simulieren. Die Mäuse wurden dann in vier Gruppen aufgeteilt.
- Gruppe 1: Keine Behandlung
- Gruppe 2: Patch mit Nadeln, aber ohne Wirkstoff
- Gruppe 3: Minoxidil
- Gruppe 4: Patch mit Nadeln und PROTAC-Wirkstoff
Nach 28 Tagen wurden die Ergebnisse der verschiedenen Gruppen ausgewertet. In den Gruppen 1 und 2 gab es keinen sichtbaren Nachwuchs der Haare. Sowohl die Minoxidil-Gruppe (Gruppe 3) als auch die PROTAC-Gruppe (Gruppe 4) zeigten hingegen deutlichen Haarwuchs mit vergleichbaren Werten bei Haardichte, Durchmesser und Abdeckung. Doch es gab einen entscheidenden Unterschied: In der PROTAC-Gruppe wuchs das Haar schneller als in der Minoxidil-Gruppe.
Das Spannende an der Behandlung mit dem PROTAC: Nach den angeführten Ergebnissen wurde eine zweite 28-tägige Testphase angehängt, um die Nachhaltigkeit der Behandlungen zu bewerten. Die Mäuse wurden erneut rasiert und mit Testosteron behandelt, jedoch OHNE erneuten Einsatz der Wirkstoffe. Die Ergebnisse zeigten, dass in Gruppe 1 und 2 wieder kein Haarnachwuchs stattfand, aber auch in der Minoxidil-Gruppe blieb diesmal der Haarwuchs aus. Bei den Mäusen aus Gruppe 4, die zuvor einmalig mit dem PROTAC behandelt wurden, setzte das Haarwachstum hingegen wieder stark ein – und das ganz ohne erneute Behandlung!
„GT20029 könnte zum dauerhaften Abbau der Androgenrezeptoren führen. Dadurch wäre eine langfristige Behandlung nicht mehr notwendig.“
Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass PROTACs wie GT20029 möglicherweise zum dauerhaften Abbau der Androgenrezeptoren führen können und somit eine langfristige Behandlung überflüssig machen. Das wäre ein erheblicher Vorteil gegenüber klassischen Therapien wie Minoxidil oder Finasterid, die regelmäßig angewendet werden müssen.
Auch in puncto Nebenwirkungen zeigen sich positive Aussichten: Abgesehen von minimalen, vorübergehenden Hautreizungen an den Einstichstellen der Mikronadeln wurden keine unerwünschten Effekte beobachtet. Dies lässt hoffen, dass PROTACs, im Gegensatz zu Finasterid, weniger oder sogar gar keine schwerwiegenden Nebenwirkungen haben könnten.
Es bleibt somit spannend rund um die Entwicklung von GT20029 – wir halten dich auf dem Laufenden, sobald es interessante Neuigkeiten gibt! Trage dich einfach für unseren Newsletter ein, um garantiert keine Updates zu verpassen.
Quellen
Békés M, et al. (2022) PROTAC targeted protein degraders: the past is prologue. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8765495/
Kintor. (Stand 2024; abgerufen am 15.10.2024) GT20029 China Phase II Trial For AGA Reached Primary Endpoint. https://en.kintor.com.cn/news_details/1803365125008502784.html
Wang R, et al. (2023) PROTAC Degraders of Androgen Receptor-Integrated Dissolving Microneedles for Androgenetic Alopecia and Recrudescence Treatment via Single Topical Administration. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36538748/