Key Takeaways
Eine detaillierte Anamnese, einschließlich der allgemeinen Gesundheit, sexuellen Geschichte und psychischen Belastungen, ist entscheidend, um mögliche Ursachen zu identifizieren.
Ebenso werden standardmäßig eine klinische Untersuchung und Bluttests durchgeführt, um organische Ursachen zu erkennen.
Bei unklaren Fällen werden ergänzende Untersuchungen wie Ultraschall eingesetzt.
Die Messung nächtlicher Erektionen hilft, organische von psychischen Ursachen zu unterscheiden, wobei eine normale nächtliche Erektion auf psychische Ursachen hinweist.
Erektionsstörungen, auch als erektile Dysfunktion bekannt, sind unterdiagnostiziert. Obwohl eine Erektionsstörung eine starke Belastung für die Betroffenen darstellt, wird selten das Gespräch darüber gesucht. Das Problem fängt jedoch oft schon früher an: Zu welchem/r Arzt/Ärztin soll man gehen, wer ist der/die richtige Ansprechpartner:in? Die Antwort hierauf ist kurz – jede:r!
Darum ist die richtige Diagnose bei Erektionsstörungen so wichtig
Auch wenn Viagra & Co äußerst effektiv sind, um die Erektionsstörung zu behandeln, so wird eine psychisch-verankerter Ursache dadurch nicht behoben. Hier wäre diese Medikation hilfreich, aber nicht heilend – das wäre, wie ein rostendes Auto immer wieder zu lackieren, statt den Rost an sich zu bekämpfen. Zudem liegt bei Erektionsstörungen oft eine Mischung aus organischen Ursachen und psychischen Auswirkungen zugrunde. Daher ist eine korrekte Diagnose unverzichtbar, um der Erektionsstörung entgegentreten zu können.
Anamnese
Um eine Erektionsstörung zu diagnostizieren, wird zu Beginn eine allgemeine Anamnese erhoben, bei der unter anderem über die allgemeine Gesundheit, bekannte Vorerkrankungen und Operationen, Gewohnheiten und Lebensstil gesprochen wird.
Die Sexualanamnese konzentriert sich dann auf alles, um im Gespräch bereits die Erektionsstörung von anderen sexuellen Dysfunktionen abzugrenzen. Detaillierte Fragen zur eigenen und partnerschaftlichen Sexualität sind dabei essenziell. Dazu zählt beispielsweise, ob Erektionen bei Masturbation oder bei speziellen sexuellen Praktiken möglich sind oder ob nächtliche und morgendliche Spontanerektionen auftreten.
Neben der Sexualanamnese werden auch psychische Belastungen thematisiert. Ärztliches Personal wird hier unter anderem nach Beziehungsproblemen, finanzieller Belastung und beruflichem Stress fragen.
Gelegentlich wird auch ein Fragebogen für die Anamnese herangezogen. Die bekanntesten Fragebögen zu erektiler Dysfunktion sind der „International Index of Erectile Function“ (IIEF) und dessen fünf Fragen umfassende Kurzform (IIEF-5), auch als „Sexual Health Inventory For Men“ (SHIM) bekannt.
Zudem ist der/die Partner:in eine wertvolle Quelle in der Anamnese. Durch eine zusätzliche Befragung kann die Anamnese qualitativ verbessert werden.

Körperliche Untersuchung
Auch wenn die körperliche Untersuchung nur selten direkt die Ursache für Erektionsstörungen offenbart, so ist sie dennoch ein wichtiger Teil der Diagnosestellung. In erster Linie können damit nämlich auch Anzeichen anderer Erkrankungen festgestellt werden, die für die Erektionsstörung eine Rolle spielen. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Genitalregion sowie das Nerven- und Gefäßsystem gelegt. Neben dem Penis werden dabei auch die Hoden und die Analregion genau untersucht.
Blutuntersuchung
Durch eine Blutuntersuchung werden weitere Informationen gewonnen, die Aufschluss auf die Ursache der Erektionsstörung geben können. Im Fokus stehen hier vor allem die Sexualhormone Testosteron und Prolaktin. Weiters werden unter anderem Schilddrüsenparameter, das Lipidprofil, Leberenzyme und das Blutbild angesehen. Zudem spielt der Blutzucker eine wichtige Rolle, da oftmals ein nicht-diagnostizierter Diabetes hinter einer erektilen Dysfunktion steckt.
Bei über 45-Jährigen kann zusätzlich der PSA-Wert bestimmt werden, um Hinweise auf andere Erkrankungen des unteren Harntrakts zu bekommen.

Ergänzende Untersuchungen
Zumeist ist nach einer ausführlichen Anamnese, körperlichen Untersuchung und Blutuntersuchung die Diagnose einer Erektionsstörung möglich. In gewissen Fällen können noch weitere ergänzende Untersuchungen notwendig sein, um die genaue Ursache oder Lokalisation aufzudecken.
Ultraschalluntersuchung
🩺 SONOGRAFIE
Um potenzielle Probleme der Arterien und Venen im Penis festzustellen, wird eine Ultraschalluntersuchung vorgenommen. Es kommt eine spezielle Art von Ultraschallgerät zum Einsatz, mit der der Blutfluss untersucht werden kann (Doppler- oder Duplex-Ultraschall). Häufig werden dafür gefäßerweiternde Mittel in die Schwellkörper injiziert.
Die moderne Ultraschalluntersuchung hat den Schwellkörper-Infusionstest (SKIT) abgelöst.
Röntgenuntersuchung der Arterien
🩺 ARTERIOGRAFIE
In speziellen Fällen ist nach der Ultraschalluntersuchung noch eine Röntgenuntersuchung der Arterien notwendig. Hier werden die tiefen Arterien im Penis genauer untersucht, um Hindernisse in den Arterien lokalisieren zu können.
Schwellkörper-Druckmessung
🩺 KAVERNOSOMETRIE
Eine Druckmessung in den Schwellkörpern wird bei Verdacht auf ein venöses Leck durchgeführt. Ein venöses Leck beschreibt eine Störung, bei der Blut während einer Erektion nicht ausreichend im Penis gehalten werden kann, da die Venen nicht korrekt verschließen – die Arterien hingegen haben kein Problem.
Bei der Schwellkörper-Druckmessung werden Nadeln in die Schwellkörper positioniert. Eine Nadel ist dabei mit einem Drucksensor verbunden; über die andere Nadel wird Flüssigkeit in die Schwellkörper geleitet. Es wird gemessen, wie viel Flüssigkeit benötigt wird, um eine Erektion auszulösen und zu erhalten. Damit ist es möglich, auf die venöse Abflussrate zu schließen. Optional kann zusätzlich noch eine Röntgenaufnahme der Schwellkörper angefertigt werden, um die genaue Lokalisation des venösen Abflusses zu visualisieren.
Die Schwellkörper-Druckmessung wird mittlerweile nur mehr sehr selten angewendet, da eine Ultraschalluntersuchung im Grunde dieselben Informationen liefert und dabei praktikabler und weniger invasiv ist.
Messung der nächtlichen Erektionen
🩺 NÄCHTLICHE PENILE TUMESZENZMESSUNG
Nächtliche Erektionen sind physiologisch und geschehen in gewissen Schlafphasen, den sogenannten REM-Schlafphasen (Rapid Eye Movement). Diese erektile Aktivität in der Nacht kann man mittels eines Gerätes messen und aufzeichnen.
Normalerweise wird diese Messung durchgeführt, wenn unklar ist, ob die Ursache psychogen oder organisch verankert ist. Ein normales Ergebnis lässt auf eine psychogene Ursache schließen, während eine eingeschränkte nächtliche erektile Aktivität eine organische Störung im Bereich der Gefäße oder Nerven nahelegt. Bei Testosteronmangel liegt zumindest eine geringfügige nächtliche erektile Aktivität vor.
Die Messung der nächtlichen Erektionen kann mittlerweile auch im eigenen Bett erfolgen; ein Aufenthalt in einer medizinischen Einrichtung ist nicht mehr zwingend notwendig.
Neurophysiologische Untersuchungen
Um Aufschluss über potenzielle Probleme im Nervensystem zu bekommen, werden neurophysiologische Untersuchungen durchgeführt. Dazu zählt unter anderem die Messung der elektrischen Aktivität des äußeren Schließmuskels des Afters.
Quellen
Bain CL, et al. (1992) Reproducibility in monitoring nocturnal penile tumescence and rigidity. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/1512832/
Glina S, et al. (2014) Diagnosis of erectile dysfunction. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25226157/
Haensch CA, et al. (2019) S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30999379/
Kwan M, et al. (1983) The nature of androgen action on male sexuality: a combined laboratory-self-report study on hypogonadal men. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/6874890/
Pang K, et al. (2023) Advances in physical diagnosis and treatment of male erectile dysfunction. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9868413/
Rosen RC, et al. (1997) The international index of erectile function (IIEF): a multidimensional scale for assessment of erectile dysfunction. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9187685/
Rosen RC, et al. (1999) Development and evaluation of an abridged, 5-item version of the International Index of Erectile Function (IIEF-5) as a diagnostic tool for erectile dysfunction. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10637462/
Varela CG, et al. (2020) Penile Doppler Ultrasound for Erectile Dysfunction: Technique and Interpretation. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31990215/