In Fitnesskreisen hast du es sicher schon einmal gehört: Creatin (auch Kreatin genannt) soll angeblich Haarausfall verursachen. Aber wie viel Wahrheit steckt wirklich hinter dieser Behauptung? Ist das nur einer dieser Fitness-Mythen, die sich hartnäckig halten, oder gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem beliebten Nahrungsergänzungsmittel und weniger Haaren auf dem Kopf? Lass uns das Ganze mal genauer anschauen und die Fakten klarstellen!
Die Ursprünge des Gerüchts: Woher kommt die Angst?
Die Bedenken, dass Creatin zu Haarausfall führt, gehen auf eine Studie aus dem Jahr 2009 zurück. In dieser Studie wurde in kleinem Rahmen untersucht, wie Creatin den Testosteronspiegel und das Hormon Dihydrotestosteron (DHT) beeinflusst. Und hier wird es interessant: DHT ist das Hormon, das für den erblich bedingten Haarausfall verantwortlich ist. Die Forscher:innen fanden heraus, dass die DHT-Werte nach nur einer Woche Creatin-Einnahme um beeindruckende 56 % anstiegen. Sogar nach einer Dosisreduzierung blieben die Werte in der zweiten Woche noch 40 % über dem Ausgangswert.
„Die Bedenken zu Creatin beruhen auf einer einzigen Studie aus dem Jahr 2009, die erhöhte DHT-Werte bei Creatin-Einnahme feststellte.“
Wer Haarausfall fürchtet, hört bei diesem Ergebnis natürlich Alarmglocken schrillen: Mehr DHT bedeutet doch mehr Haarausfall, oder? Und genau hier setzte sich der Gedanke fest, dass Creatin der heimliche Übeltäter für dünner werdendes Haar sein könnte. Doch was bedeuten diese Studienergebnisse für Creatin-Nutzer:innen wirklich?
Was sagt die Wissenschaft wirklich?
Bevor du jetzt dein Creatin direkt aus dem Schrank verbannst, gibt es ein paar Punkte, die du unbedingt wissen solltest. Die referenzierte Studie aus dem Jahr 2009 hat zwar erhöhte DHT-Werte gezeigt, aber es gibt einige wichtige Einwände gegen ihre Aussagekraft in Bezug auf den Zusammenhang von Creatin und Haarausfall:
- Geringe Studienpopulation: Die Studie wurde mit lediglich 16 Probanden vollständig durchgeführt. Diese kleine Teilnehmerzahl wirft Zweifel an ihrer Aussagekraft auf.
- Kein Anstieg von Testosteron: In der Studie wurde kein signifikanter Anstieg von Testosteron nachgewiesen – und das ist bemerkenswert, weil DHT aus Testosteron produziert wird. Das bedeutet: Es gab nicht mehr Ausgangsmaterial, um zusätzliche Mengen DHT zu produzieren. Woher der Anstieg an DHT kam, bleibt unklar.
Auch weitere Studien, die den Zusammenhang von Creatin und Testosteron-Konzentration untersuchten, konnten keinen signifikanten Anstieg nachweisen. - Niedrige Ausgangswerte: Die Probanden, die Creatin einnahmen, hatten zu Beginn der Studie bereits 23% weniger DHT im Blut als die Placebo-Gruppe. Das wirft die Frage auf, ob die „Erhöhung“ des DHT-Spiegels in der Creatin-Gruppe einfach nur eine Rückkehr zu normalen Werten war.
- Keine weiteren Studien: Seit 2009 hat keine andere wissenschaftliche Arbeit diese Ergebnisse bestätigt. Es gibt keine Daten, die einen langfristigen Zusammenhang zwischen Creatin-Supplementierung und DHT-Anstieg – geschweige denn Haarausfall – belegen.
- Kein direkter Nachweis für Haarausfall: Auch wenn DHT und Haarausfall miteinander verknüpft sind, hat keine Studie jemals gezeigt, dass Creatin direkt zu verstärktem Haarausfall führt. Der Zusammenhang bleibt hypothetisch.
„Die Studie ist kritisch zu betrachten. Es gibt wichtige Einwände, die einen direkten Zusammenhang von Creatin-Einnahme mit Haarausfall anzweifeln lassen.“
Im April 2025 wurde eine Studie veröffentlicht, die erstmals nicht nur die Auswirkungen von Creatin auf den DHT-Spiegel, sondern auch direkt auf das Haarwachstum untersuchte. Dabei zeigte sich zum einen, dass weder signifikante Anstiege des DHT-Spiegels noch Veränderungen im Verhältnis von DHT zu Testosteron festgestellt wurden. Zum anderen konnten auch keine Unterschiede bei Haardichte, Haaranzahl oder anderen Haarparametern beobachtet werden. Das Studiendesign ist im Vergleich zur Untersuchung aus dem Jahr 2009 verbessert, jedoch bleibt die Studiendauer von zwölf Wochen relativ kurz, und auch die Teilnehmerzahl mit 38 Probanden ist noch begrenzt. Zudem bestand eine Nähe der Forschenden zur Supplement-Branche, was auf eine mögliche Voreingenommenheit hinweisen könnte. Dennoch liefern die Ergebnisse beruhigende Hinweise für all jene, die täglich Creatin einnehmen und sich wegen möglichen Auswirkungen auf den Haarverlust sorgen. Besonders der Umstand, dass, anders als in der älteren Studie, kein signifikanter Anstieg des DHT-Spiegels festgestellt wurde, entkräftet frühere Befürchtungen.
Fazit
Der aktuelle Stand der Forschung gibt keinen eindeutigen Beweis dafür, dass Creatin Haarausfall verursacht. Das Gerücht basiert auf einer einzigen kleinen Studie, die sich weder mit Haarausfall beschäftigte noch eindeutige Ergebnisse lieferte. Eine neuere Untersuchung widerspricht diesem Zusammenhang zusätzlich, da keine Verbindung zwischen der Einnahme von Creatin und Haarausfall festgestellt werden konnte. Die Panik um dein Creatin ist also wahrscheinlich unbegründet.
Quellen
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