Key Takeaways
Dihydrotestosteron (DHT) ist der Hauptauslöser für erblich bedingten Haarausfall, indem es Haarfollikel langfristig schrumpfen lässt.
Erhöhte Testosteronwerte durch Therapien und Kuren können Haarausfall begünstigen, allerdings ist die Datenlage hierzu widersprüchlich und unzureichend.
Ein niedriger SHBG-Wert könnte zu einem höheren Anteil an aktivem Testosteron führen, was potenziell Haarausfall begünstigt.
Es ist mittlerweile gut belegt, dass Dihydrotestosteron (DHT) eine zentrale Rolle bei erblich bedingtem Haarausfall spielt – sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Dieses Hormon bindet an die Haarfollikel und bewirkt, dass diese mit der Zeit schrumpfen, was zu dünner werdendem Haar und schließlich zu Haarausfall führt. DHT entsteht als Abbauprodukt von Testosteron. Bedeutet dies jedoch zwangsläufig, dass ein erhöhter Testosteronspiegel oder die Einnahme von Testosteron automatisch auch zu mehr Haarausfall führt?
Testosteron im Körper
Erhöhte Testosteronwerte fördern Kraftzuwachs, Muskelwachstum und die Reduktion des Körperfettanteils. Allerdings können Testosterontherapien auch zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Dazu zählen Hautprobleme, Gynäkomastie (Vergrößerung der Brustdrüsen beim Mann), Prostatavergrößerung, Hodenverkleinerung, Unfruchtbarkeit und sogar Tumore. Außerdem ist Haarausfall ebenfalls eine mögliche Nebenwirkung, die für viele Betroffene eine erhebliche psychische Belastung darstellen kann. Ein aktuelles Paper aus dem Jahr 2024 untersuchte speziell diesen Zusammenhang und analysierte Studien, die sich mit den Auswirkungen von Testosteronanwendungen auf Haarausfall bei Sportlern beschäftigten.
Testosteron und Haarausfall
Studie | Teilnehmer | Untersuchung | Ergebnisse | Zusammenfassung |
---|---|---|---|---|
1 | 315 Männer | Vergleich von „kein Haarausfall“, „Haarausfall an der Stirn“ und „Haarausfall am Oberkopf“ | Höheres Testosteron und freies Testosteron bei Männern mit Haarausfall am Oberkopf; keine Unterschiede bei Stirnhaarausfall. | Testosteron 🔗 Freies Testosteron 🔗 |
2 | 22 Männer mit Haarausfall, 11 Männer ohne Haarausfall | Vergleich von Testosteron- und DHT-Werten | Männer mit Haarausfall hatten höhere Testosteron- und DHT-Werte. | Testosteron 🔗 DHT 🔗 |
3 | 50 Männer mit frühem Haarausfall (<30 Jahre), 50 ohne Haarausfall | Vergleich von Testosteron-, DHEA-S- und SHBG-Werten | Keine Unterschiede bei Testosteron und DHEA-S, aber Männer mit Haarausfall hatten niedrigere SHBG-Werte. | Testosteron ❌ DHEA-S ❌ SHBG 🔗 |
4 | 57 Männer mit AGA, 32 Männer ohne AGA | Vergleich von Testosteron-, DHEA-S- und SHBG-Werten | Männer mit AGA hatten höhere Testosteron- und DHEA-S-Werte, aber niedrigere SHBG-Werte. | Testosteron 🔗 DHEA-S 🔗 SHBG 🔗 |
5 | 373 Männer | Untersuchung der Beziehung zwischen Testosteron, DHEA-S und Haarausfall | Keine Verbindung zwischen Haarausfall und Testosteron; Männer mit Haarausfall hatten niedrigere DHEA-S-Werte. | Testosteron ❌ DHEA-S 🔗 |
Die verschiedenen Studien weisen große Unterschiede in ihren Ergebnissen auf. In drei Untersuchungen wurde ein Zusammenhang zwischen erhöhten Testosteronwerten und Haarausfall festgestellt, während zwei andere Studien keinen signifikanten Zusammenhang nachweisen konnten. Ähnlich widersprüchlich sind die Befunde zu den Werten von sulfatisiertem DHEA (DHEA-S), einem Vorläuferhormon von Testosteron, das im Körper in Testosteron umgewandelt wird. Zwei Studien fanden erhöhte DHEA-S-Werte bei Männern mit Haarausfall, während eine weitere Studie keine Unterschiede identifizierte.
Interessanterweise berichteten zwei Studien über niedrigere Werte des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) bei Männern mit Haarausfall. SHBG bindet an Testosteron und macht es inaktiv. Niedrige SHBG-Werte führen daher zu einem höheren Anteil an aktivem, frei verfügbarem Testosteron. Allerdings wurde dieser Parameter nicht in allen Studien untersucht, wodurch die Interpretation und Vergleichbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt ist.
Therapie mit Testosteron und Haarausfall
Bisher gibt es nur wenige Studien, die explizit den Zusammenhang zwischen Testosterontherapien und Haarausfall detailliert untersucht haben. Zudem ist die Datenlage in vielen Fällen unzureichend. Eine Studie aus Jordanien berichtet, dass die Mehrheit der Teilnehmer über verschiedene Nebenwirkungen, darunter Haarausfall, klagte, ohne jedoch die genaue Anzahl der Betroffenen oder die Schwere der Symptome zu spezifizieren.
„Die spezifischen Auswirkungen von Testosterontherapien auf das Haarwachstum sind bislang nur unzureichend erforscht.“
Eine niederländische Studie stellte fest, dass der Haarausfall bei einigen Teilnehmern nach 3,5 Monaten Testosteroneinnahme zunahm. Gleichzeitig berichteten jedoch auch einige Personen über verstärktes Haarwachstum. In einer weiteren Untersuchung gaben nur wenige Personen an, nach einer Testosteronkur unter Haarausfall zu leiden.
Viele dieser Studien basieren auf Fragebögen oder qualitativen Erhebungen, die anfällig für Verzerrungen sein können, insbesondere wenn Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre oder Stigmatisierung eine Rolle spielen. Dies könnte die Zuverlässigkeit der Ergebnisse beeinflussen.
Fazit
Die derzeitige wissenschaftliche Datenlage lässt keine eindeutigen Schlussfolgerungen darüber zu, wie sich eine Testosterontherapie auf die Haargesundheit auswirkt. Bisherige Studien deuten jedoch darauf hin, dass solche Therapien das Haarwachstum beeinflussen können – wie (stark) genau, ist noch unklar. Wenn du also nicht nur mit Muskeln, sondern auch mit deiner Haarpracht glänzen möchtest, verzichte besser auf eine Testosterontherapie.
Quellen
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