Key Takeaways
Bicalutamid blockiert gezielt die Wirkung von Dihydrotestosteron an den Haarfollikeln und könnte dadurch bei hormonell bedingtem Haarausfall bei Frauen helfen.
Die Studienlage zu Bicalutamid ist jedoch noch begrenzt.
Vor allem bei Frauen mit erhöhtem Androgenspiegel scheint es wirksam zu sein.
Die häufigste Nebenwirkung ist eine meist milde Erhöhung der Leberwerte, weshalb regelmäßige Kontrollen wichtig sind.
Flutamid wirkt ähnlich, aber weniger gezielt, stärker auf das Hormonsystem und belastet die Leber mehr.
Bicalutamid gehört definitiv zu den Medikamentennamen, die man zweimal lesen muss, um dem Buchstabensalat Herr zu werden. Doch das könnte sich auszahlen, denn Bicalutamid könnte dir als Frau vielleicht helfen, deinem Haarausfall die Stirn zu bieten und ein Breiterwerden deines Scheitels zu stoppen. Wir schauen uns hier genauer an, wie Bicalutamid und sein Verwandter Flutamid ihre Wirkung entfalten und ob sie dir tatsächlich eine Hilfe sein können.
Was macht Bicalutamid?
Bicalutamid kommt nur als Lösung in Frage, wenn bei dir ein sogenannter androgenetischer Haarausfall vorliegt. Das ist die Art von Haarausfall, die sich bei Männern mit Geheimratsecken und Glatzenbildung am Oberkopf zeigt, während sie bei Frauen in der Regel mit einem diffuseren Muster und kahler werdendem Scheitelbereich einhergeht. Der Name verrät hier schon eine ganze Menge, denn beim androgenetischen Haarausfall spielen Androgene, also männliche (aber auch bei Frauen vorhandenen) Sexualhormone, eine wichtige Rolle. Konkret ist es das Hormon Dihydrotestosteron (DHT). Es sorgt dafür, dass die Haarfollikel immer schwächer werden und so die Haare ausfallen. Das geschieht, indem DHT an die Androgenrezeptoren der Haarfollikel andockt und dort schädlich wirkt. Klingt mies – und das ist es auch.
„Bicalutamid sorgt dafür, dass der Übeltäter des Haarausfalls, DHT, weniger Schaden an den Haarfollikeln anrichten kann.“
Also, wie kann Bicalutamid hier helfen? Bicalutamid ist ein Androgenrezeptor-Blocker. Es blockiert also ganz gezielt die Andockstellen, an die auch DHT heranwill, und verhindert so, dass DHT überhaupt an die Rezeptoren gelangt. Theoretisch klingt das nach einer wunderbaren Lösung und Schutz für deine Haare. Aber wie gut funktioniert das und was kauft man sich damit ein?

Wie gut wirkt Bicalutamid?
Kurz und knapp: Bicalutamid könnte vielversprechende Ergebnisse liefern. Das „könnte“ stammt daher, dass die Studienlage leider noch viel zu undifferenziert ist. Nur ganz wenige Studien wurden mit Bicalutamid alleine durchgeführt; meist wurde der Wirkstoff in Kombination mit anderen Therapien verwendet. Natürlich lässt sich dann schwer auf die alleinige Wirkung von Bicalutamid schließen. Ebenso fehlt es noch an großen Studien, die die Ausgangssituationen der Teilnehmerinnen berücksichtigen: Manche Frauen haben von Grund auf zu viele Androgene, während andere einen normalen Spiegel haben – beide können jedoch an androgenetischem Haarausfall leiden. Diese unterschiedlichen Bedingungen können aber einen Effekt auf die Wirkung von Bicalutamid haben. Und die Dosierungen sind auch so eine Sache, denn sie variieren in den Untersuchungen stark.
Nachdem dir „vielversprechend“ als Antwort auf die Frage aber bestimmt nicht ausreicht, fassen wir zusammen, wohin die Studienlage tendiert. Bicalutamid scheint vor allem bei Frauen mit hohen Androgenspiegeln wirksam zu sein. Außerdem wird von einer Überlegenheit von Bicalutamid gegenüber dem alternativen Wirkstoff Spironolacton ausgegangen. Als Dosierung kann mit 10 mg niedrig begonnen werden, wobei jedoch oft 25 oder 50 mg zum Einsatz kommen. Erste Ergebnisse werden nach etwa 6 Monaten sichtbar und nehmen im weiteren Verlauf zu.
Nebenwirkungen von Bicalutamid
Die bedeutendste Nebenwirkung, die Bicalutamid mit sich bringen kann, ist eine Erhöhung der Leberwerte. Das passiert zwar nur selten ernsthaft, kann aber im ungünstigen Fall zu Leberschäden führen. In der Regel sind die Veränderungen mild und bilden sich von selbst zurück. Zur Sicherheit sollten vor Beginn der Behandlung und in regelmäßigen Abständen während der Einnahme die Leberfunktion überprüft werden. Außerdem kann Bicalutamid zu Wassereinlagerungen in den Beinen, Übelkeit und Zyklusunregelmäßigkeiten führen. Insbesondere bei Frauen mit PCOS oder gestörtem Stoffwechsel kann Bicalutamid zu einer Erhöhung der Blutfettwerte beitragen.
„Unter Bicalutamid solltest du deine Leberwerte kontrollieren lassen.“
Besonders wichtig ist eine zuverlässige Verhütung während der Einnahme, denn Antiandrogene wie Bicalutamid können die Entwicklung eines ungeborenen Kindes beeinträchtigen. Ebenso sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ein Thema.
Bicalutamid bei Männern
Bicalutamid ist keine Option für Männer mit androgenetischem Haarausfall. Es blockiert zwar die Ursache (DHT), aber stört dabei auch drastisch das natürliche Hormonprofil. Das führt zu schwerwiegenden hormonbedingten Nebenwirkungen.
Für Männer gibt es hingegen andere Wirkstoffe wie beispielsweise Finasterid, die äußerst effektiv sind.
Mehr dazu hier: Überblick über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten für Haarausfall
Und was ist mit Flutamid?
Flutamid ist sozusagen der ältere, etwas ruppigere Verwandte von Bicalutamid. Auch er blockiert die Androgenrezeptoren und grundsätzlich gilt für ihn dasselbe wie für Bicalutamid. Allerdings hat Flutamid ein großes Manko, denn es belastet die Leber stärker als Bicalutamid und führt auch zu mehr Magen-Darm-Beschwerden. Dazu kommt, dass es häufiger eingenommen werden muss (dreimal täglich) und insgesamt weniger gezielt wirkt als Bicalutamid. Denn im Vergleich zu Bicalutamid wirkt Flutamid auch im Gehirn und beeinflusst so die Hormonspiegel stärker. Aus genau diesen Gründen wird Flutamid mittlerweile selten verwendet.

Dennoch zeigen Langzeitstudien mit Flutamid auch einen Rückgang des Haarausfalls, beginnend nach etwa 6 Monaten, und eine nachhaltige Wirkung über mehrere Jahre. Die Dosierung liegt je nach Behandlungsverlauf zwischen 62,5 mg und 250 mg täglich, wobei höhere Dosen mit einem höheren Risiko für Leberschäden einhergehen.
Einen Lichtblick gibt es dann doch noch für Flutamid: In einer kleinen Studie wurde topisches Flutamid an Frauen getestet, also Flutamid zur äußerlichen Anwendung statt zur oralen Einnahme. Im Vergleich zu Minoxidil 5% alleine zeigte die Kombination aus Flutamid 2% und Minoxidil 5% signifikant mehr Haarwachstum.
„Flutamid greift die Leber stärker an als Bicalutamid und spielt daher eine untergeordnete Rolle.“
Fazit
Die Forschung zu Bicalutamid bei androgenetischem Haarausfall bei Frauen steckt noch in den Kinderschuhen. Erste Studien zeigen jedoch vielversprechende Ergebnisse – insbesondere bei Frauen mit erhöhtem Androgenspiegel. Bicalutamid könnte dir also unter Umständen wieder zu mehr Haaren verhelfen, vor allem, wenn Finasterid und Spironolacton nicht die erwünschte Wirkung zeigten.
Quellen
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