Key Takeaways
Alfatradiol ist eines der wenigen für androgenetischen Haarausfall zugelassenen Medikamente – für Männer und auch für Frauen.
Alfatradiol hemmt – ähnlich wie Finasterid – das Enzym 5-alpha-Reduktase und reduziert so die DHT-Produktion, allerdings mit schwächerer Wirkung.
Alfatradiol kann den Haarausfall verlangsamen oder stoppen, aber im Gegensatz zu Minoxidil kein neues Haarwachstum stimuliert. Eine Kombination von Alfatradiol mit Minoxidil könnte leichte Vorteile bieten.
Erblich bedingter Haarausfall betrifft sowohl Männer als auch Frauen, wobei Männer meist früher damit Bekanntschaft machen. Schuld daran ist das Hormon Dihydrotestosteron (DHT), das die Haarfollikel immer weiter schrumpfen lässt – die Folge: zunehmend dünneres und schwächeres Haar. Ein bekannter Wirkstoff, der die DHT-Produktion drosselt, ist Finasterid. Allerdings gibt es bei Finasterid Bedenken hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen und für Frauen ist es (im fruchtbaren Alter) generell nicht geeignet. Daher rücken Alternativen immer stärker in den Fokus. Eine dieser Alternativen ist Alfatradiol. Das Mittel hemmt ebenfalls die DHT-Produktion – und ist auch für Frauen zugelassen.
Wirkweise von Alfatradiol
Alfatradiol, auch 17α-Estradiol genannt, ist eine spezielle Form des Hormons Östrogen, das eines der wichtigsten weiblichen Geschlechtshormone ist. Obwohl es zur gleichen Familie gehört, wirkt Alfatradiol kaum wie ein Hormon, da es fast nicht mit den entsprechenden Rezeptoren im Körper reagiert. Sein wahrer Job ist nämlich ein anderer …
„Alfatradiol blockiert – ähnlich wie Finasterid – die 5-alpha-Reduktase. Es basiert auf einer Art von Östrogen, hat aber nur eine sehr geringe hormonelle Wirkung.“
Der Feind der Haarfollikel, das Hormon DHT, entsteht durch die Umwandlung von Testosteron mittels eines Enzyms, das als 5-alpha-Reduktase bekannt ist. Sowohl Alfatradiol als auch Finasterid hemmen diesen Prozess und reduzieren so die Menge an DHT. Allerdings blockiert Alfatradiol diese Enzymaktivität schwächer als Finasterid.
Alfatradiol wird direkt auf die betroffenen Stellen aufgetragen, wo es lokal seine Wirkung entfaltet. Im Gegensatz dazu wird Finasterid von den meisten als Tablette eingenommen, obwohl auch hier eine topische (auf die Haut auftragbare) Variante existiert.
Mehr dazu hier: Finasterid
Übrigens: Dutasterid hemmt die Umwandlung von Testosteron in DHT sogar noch stärker als Finasterid bei ähnlichen Nebenwirkungen.
Ein Vorteil der topischen Anwendung von Alfatradiol ist das geringere Risiko für Nebenwirkungen. Während bei der Nutzung gelegentlich Hautreizungen oder Juckreiz auftreten können, wurden schwerwiegendere Nebenwirkungen bisher nicht dokumentiert.

Wirksamkeit von Alfatradiol
Alfatradiol ist keine neue Erfindung. Die Entwicklung fand bereits in den 1980er Jahren statt, daher ist das Mittel auch schon gut erforscht (wenn auch nicht so reichlich wie Finasterid oder Minoxidil …). Eine Studie aus dem Jahr 2007 verglich Alfatradiol mit Minoxidil bei etwa 100 Frauen. Dabei zeigte sich, dass Alfatradiol den Haarausfall zwar verlangsamte oder stoppte, im Gegensatz zu Minoxidil jedoch kein neues Haarwachstum stimulieren konnte. Als die Teilnehmerinnen der ursprünglichen Alfatradiol-Gruppe dann nach sechs Monaten von Alfatradiol auf Minoxidil umstiegen, trat auch bei ihnen verstärktes Haarwachstum ein. Dennoch erwies sich eine durchgängige Behandlung mit Minoxidil über 12 Monate als effektiver als die Kombinationstherapie aus sechs Monaten Alfatradiol und anschließendem Minoxidil.
Mehr dazu hier: Minoxidil
Und wie sieht es nun mit der Wirkung von Alfatradiol bei Männern aus? Eine Studie aus 2005 untersuchte die Wirkung von Alfatradiol bei beiden Geschlechtern – auch wenn mit 41 Männern und 192 Frauen vergleichsweise wenige Männer teilnahmen. Nach 7,5 Monaten zeigte sich bei beiden Geschlechtern eine signifikante Zunahme der Anagenhaare, also der Haare in der Wachstumsphase. Bei erblich bedingtem Haarausfall verschiebt sich das Verhältnis von Wachstums- in Richtung Ruhephase – umso mehr Haare also wieder in der Wachstumsphase sind, desto besser. Bei den Frauen wurde eine Zunahme von 69 % auf 77 % verzeichnet; bei den Männern von 56 % auf 65 %. Allerdings waren etwa 44 % der Männer mit dem Ergebnis unzufrieden, verglichen mit nur 20 % der Frauen. Die Mehrheit der Proband:innen bemerkte jedoch einen gewissen Therapieerfolg, und rund 29 % der Frauen stuften diesen als gut ein. Nur ein kleiner Prozentsatz beider Geschlechter bewertete das Haarwachstum als sehr gut.

Subjektive Beurteilung des Therapieerfolges mit Alfatradiol.
Auch in einer kombinierten Anwendung mit Minoxidil wurde Alfatradiol an 119 postmenopausalen Frauen (in dieser Phase sind Frauen besonders anfällig für erblich bedingten Haarausfall) untersucht. Die Wirksamkeit wurde dabei mit der Kombination aus Minoxidil und topischem Finasterid verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Kombination von Minoxidil mit Finasterid nach 6, 12 und 18 Monaten durchgehend wirksamer war als die Kombination von Minoxidil mit Alfatradiol, obwohl auch letztere zu Verbesserungen führte.
Erst vor kurzem wurde die Kombination von Alfatradiol mit Minoxidil erneut unter die Lupe genommen. Bei einer kleinen Studienpopulation von 40 Frauen erzielte Alfatradiol in Kombination mit Minoxidil nach 24 Wochen zwar bessere Ergebnisse als die alleinige Anwendung von Minoxidil – der Unterschied war aber statistisch nicht signifikant.
„Alfatradiol wirkt gegen Haarausfall – jedoch nicht so gut wie die etablierten Mittel Minoxidil oder Finasterid.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Alfatradiol zwar eine gewisse Wirksamkeit zeigt, jedoch nicht den gleichen Therapieerfolg wie Finasterid oder Minoxidil verzeichnen kann. Allerdings ist die Aussage unter Beachtung einiger Kritikpunkte an den bisherigen Studien zu verstehen, die die Ergebnisse teilweise relativieren.
Kritikpunkte an den Studien zu Alfatradiol
- Offenes Studiendesign: Sowohl die Studie aus 2005 als auch die aus 2007 wurden nicht verblindet durchgeführt, sodass die Teilnehmer:innen wussten, mit welchem Mittel sie behandelt wurden. Dies birgt das Risiko, dass die subjektive Wahrnehmung die Ergebnisse beeinflusst und möglicherweise verfälscht.
- Fehlende Placebo-Gruppe: In keiner der Studien gab es eine Placebo-Gruppe als Kontrolle. Da natürliche Schwankungen im Haarwachstum – etwa durch Jahreszeiten – auftreten, lassen sich positive oder negative Effekte ohne Kontrollgruppe nur bedingt eindeutig auf die Behandlung zurückführen.
- Hohe Dropout-Rate: In der Studie, die Alfatradiol bei Frauen und Männern untersuchte, konnten bei ursprünglich 233 Teilnehmer:innen schlussendlich lediglich von 112 die Daten ausgewertet werden. Warum so viele Personen aus der Studie ausgeschieden sind, bleibt unklar. Es ist jedoch möglich, dass insbesondere unzufriedene Teilnehmer:innen frühzeitig ausgestiegen sind, was die Ergebnisse verzerren könnte.
- Kurze Studiendauer: Die Studiendauern von weniger als 12 Monaten sind möglicherweise zu kurz, um die Wirksamkeit von Alfatradiol vollständig zu bewerten. Da ähnliche Wirkstoffe wie Finasterid erst bei längerer Anwendung ihre volle Wirkung zeigen, könnte eine längere Studiendauer auch für Alfatradiol vorteilhaft sein.
- Subjektive Einschätzungen: Viele Ergebnisse basieren auf den subjektiven Wahrnehmungen der Teilnehmer:innen. Solche Einschätzungen sind schwer vergleichbar und weniger zuverlässig als objektive Messungen wie Haardichte oder Haarlänge.
Fazit
Nach aktuellem Wissensstand kann Alfatradiol erblich bedingten Haarausfall verlangsamen oder stoppen, fördert jedoch kein neues Haarwachstum. Im Vergleich dazu zeigt Minoxidil deutlich bessere Ergebnisse und gilt als die effektivere Option im Kampf gegen androgenetische Alopezie. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte daher auf bewährte Alternativen wie Minoxidil oder andere etablierte Haarwuchsmittel setzen.
Quellen
Bedair NI, et al (2024) Efficacy and safety of combined topical ethinylestradiol with minoxidil versus topical minoxidil in female pattern hair loss. A trichoscopic randomized controlled clinical study. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39412172/
Blume-Peytavi U, et al. (2007) Comparison of the efficacy and safety of topical minoxidil and topical alfatradiol in the treatment of androgenetic alopecia in women. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17451383/
Rossi A, et al (2020) Efficacy of Topical Finasteride 0.5% vs 17α-Estradiol 0.05% in the Treatment of Postmenopausal Female Pattern Hair Loss: A Retrospective, Single-Blind Study of 119 Patients. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7190559/
Wozel G, et al. (2005) Alfatradiol (0,025%) – Eine wirksame und sichere Therapieoption zur Behandlung der androgenetischen Alopezie bei Frauen und Männern. https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/s-2005-870188