Kamm Symbol

So wirkt Spermidin Haarausfall entgegen

Alle Inhalte auf HealthHeld werden von medizinischem Fachpersonal verfasst bzw. geprüft.

Inhalt
Spermidin Haarausfall: Das Bild zeigt Weizenkeime und im Vordergrund eine plastische Darstellung eines Spermidin-Moleküls.

Key Takeaways

Spermidin ist eine natürliche Substanz, die eine zentrale Rolle in Zellprozessen spielt.

Labor- und Tierversuche zeigen, dass Spermidin die Wachstumsphase der Haare verlängern und das Haarwachstum steigern kann.

Auch bei Menschen wurde nachgewiesen, dass oral eingenommenes Spermidin die Wachstumsphase der Haare verlängert und sie so vor dem Ausfallen schützt.

Spermidin kommt in Lebensmitteln wie Weizenkeimen, Soja, Pilzen und Brokkoli vor und kann leicht über die Ernährung aufgenommen werden.

Nein, hier bekommst du keine pseudowissenschaftlichen Tipps, dass Sperma die neue Kur für volles Haar ist. Sollte dich das jetzt enttäuschen, dann kommt jetzt die gute Nachricht: In diesem Beitrag erfährst du, wie Spermidin – das trotz des Gleichklangs absolut nichts mit Sperma zu tun hat – ein Game Changer bei Haarausfall sein könnte. Wie immer, wissenschaftlich fundiert und ohne Hokuspokus.

Was ist Spermidin?

Spermidin ist ein natürlich vorkommender Stoff und gehört zu den sogenannten Polyaminen. Polyamine sind Stoffe mit einer gewissen molekularen Struktur, genauer gesagt mit mehreren Aminogruppen. Spermidin steht im Fokus der „Longevity“-Forschung, weil der Konsum von spermidinreichen Lebensmitteln mit einer längeren Lebenserwartung in Verbindung gebracht wird.

Spermidin kommt in allen Körperzellen vor und spielt dort eine wichtige Rolle in diversen Zellprozessen, darunter beim Zellwachstum und der Zellreinigung. Außerdem ist es in diversen Lebensmitteln enthalten, zum Beispiel in Soja und Pilzen – und in besonders hoher Konzentration in Weizenkeimen.

Vielleicht fragst du dich, wieso Spermidin eigentlich Spermidin heißt. Der Name klingt auch wirklich ungewöhnlich. Das ist aber kein Zufall, denn Spermidin wurde ursprünglich in menschlichem Sperma entdeckt, wo es in besonders hoher Konzentration vorkommt. Inzwischen weiß man allerdings, dass Spermidin ein ganz normaler Bestandteil vieler Körperzellen und Gewebe ist und eine zentrale Rolle für unsere Gesundheit spielt.

„Spermidin wurde zuerst in Sperma entdeckt. Es kommt aber in allen menschlichen Körperzellen vor – unabhängig vom Geschlecht.“

Warum Spermidin für Haare Interesse weckt

Auch Haarfollikelzellen brauchen Polyamine für eine gesunde Zellfunktion, also auch für das Wachstum und den Haarzyklus. Das hat man in zahlreichen Laborversuchen schon vor längerer Zeit festgestellt. Wenn man bedenkt, dass die Haarfollikelzellen zu den aktivsten Geweben in unserem Körper zählen, ist das auch nicht verwunderlich – sie erneuern sich ständig, denn die Haare fallen aus und wachsen wieder nach. Daher ist es auch naheliegend, dass Spermidin ein wichtiger Bestandteil von ihnen ist. In den Haarfollikeln wurde gar die höchste Aktivität des Schlüsselenzyms nachgewiesen, das Spermidin herstellt.

In Mausmodellen wurde gezeigt, dass Veränderungen im Stoffwechsel von Polyaminen zu Haarausfall bei den Mäusen führt und dass der Auftrag von α-Methylspermidin (das ist eine stabilere Version von Spermidin) auf die Haut das Haarwachstum in der Ruhephase ankurbelt. Aber wie immer gilt: Forschung an Mäusen zeigt zwar oft Potenziale auf, aber was in Mäusen passiert, passiert nicht auch automatisch beim Menschen.

Doch auch mit menschlichen Haarfollikeln wurde im Labor nachgewiesen, dass Spermidin die Wachstumsphase verlängert und zu einer über 20 %igen Steigerung des Haarschaftwachstums führt. So weit, so gut, denn was im Labor so ist, muss nicht unbedingt auch im echten, lebendigen Körper dann so sein.

Spermidin Haarausfall: Die Grafik zeigt die den Haarzyklus mit seinen drei Phasen. Die Wachstumsphase ist hervorgehoben mit dem Spermidin-Molekül und einem Zeichen für mehr Zeit: Spermidin verlängert also die Wachstumsphase der Haare.

Spermidin gegen Haarausfall

Was kann also eine Behandlung mit Spermidin wirklich für unsere Haare tun? Studien zeigen, dass Nahrungsergänzungsmittel mit Spermidin beim telogenen Effluvium, einer Form des diffusen Haarausfalls, tatsächlich helfen können. Doch nicht nur das: Auch bei gesunden Menschen ohne sichtbaren Haarausfall scheint Spermidin den Haaren einen richtigen Boost zu geben und sie vor dem Ausfall zu schützen! Doch wie und vor allem auch wie gut wirkt Spermidin Haarausfall nun wirklich entgegen?

2017 wurde eine hochwertige, randomisierte Studie veröffentlicht, die eindrucksvoll zeigt, dass ein Spermidin-haltiges Nahrungsergänzungsmittel die Wachstumsphase der Haare verlängert – und zwar gravierend.

„Spermidin verlängert die Wachstumsphase der Haare und hilft unterstützend bei diffusem Haarausfall.“

Über drei Monate hinweg erhielten 100 Teilnehmer:innen entweder das Spermidin-Präparat oder ein Placebo. Um den Haarausfall zu bewerten, wurde der Pull-Test verwendet, bei dem an einer Haarsträhne gezogen wird. Wenn mehr als 10% der Haare ausfallen, ist der Test positiv. Nach drei Monaten hatte nur 1 von 50 Personen (2%) in der Spermidin-Gruppe einen positiven Test – in der Placebo-Gruppe hingegen waren es 14 von 50 (28%). Dieses Ergebnis wurde auch dadurch untermauert, dass die Anzahl an anagenen Haaren, also Haarfollikeln, die sich gerade in der Wachstumsphase befinden, in der Spermidin-Gruppe um mehr als 50% anstieg, während sie in der Placebo-Gruppe um etwa 20% sank.

Spermidin Haarausfall: Die Grafik zeigt den Anteil der Haare in den Phasen des Haarzyklus - auf der linken Seite ohne Spermidin (Wachstumsphase 90%, Übergangsphase < 1%, Ruhephase 10%) und auf der rechten Seite mit Spermidin: Wachstumsphase mehr, Übergangsphase weniger, Ruhephase weniger.

Doch es kommt noch besser: Nach sechs Monaten (also weiteren drei Monaten nach dem Studienende) wurden die Teilnehmer:innen erneut getestet. In der Placebo-Gruppe fielen die Ergebnisse deutlich schlechter aus – 68 % hatten einen positiven Pull-Test. In der Spermidin-Gruppe hingegen: 0%, also kein einziger.

Die genaue Dosis des Spermidin-Präparates wurde in der Studie zwar nicht genannt, doch ein eingereichtes Patent deutet darauf hin, dass möglicherweise nur 0,5 mg Spermidin täglich verabreicht wurden – das entspricht gerade einmal einem halben Teelöffel Weizenkeimen.

Auch wenn die Forschung noch am Anfang steht, sind diese Ergebnisse vielversprechend. Spermidin wird unsere Welt zwar nicht von Haarausfall befreien können, denn bei der häufigsten Form, dem erblich bedingten Haarausfall, wird es vermutlich wenig helfen können. Es bietet aber eine hilfreiche Unterstützung für gesundes Haarwachstum – und das zeigt sich auch in der vorteilhaften Wirkung bei diffusem Haarausfall.

Das Beste an Spermidin ist, dass es eine ganz natürliche Substanz ist. Wie immer gilt jedoch: Natürlich heißt nicht gleich nebenwirkungsfrei. Doch bei Spermidin gibt es grünes Licht, denn es gilt als gut verträglich. Dennoch ist eine ärztliche Rücksprache bei Vorerkrankungen oder Medikamenteneinnahme ratsam.

So wendest du Spermidin an

Du kannst Spermidin als Nahrungsergänzungsmittel zu dir nehmen. Doch ganz ehrlich – dieses Geld kannst du dir sparen. Denn in der Regel enthalten solche Präparate nur einen einzigen Inhaltsstoff: Weizenkeime.

Weizenkeime sind unglaublich reich an Spermidin. 100 Gramm Weizenkeime enthalten rund 250 Milligramm Spermidin. Und auch wenn es (noch) keine offizielle Dosierungsempfehlung für Spermidin gibt, wird 1 Milligramm Spermidin ausreichen. Das kannst du also ganz einfach über einen gestrichenen Teelöffel Weizenkeime zu dir nehmen, oder über diverse andere Nahrungsmittel. Besonders reich an Spermidin sind Tempeh und Champignons, aber auch Edamame, grüne Erbsen, Sojabohnen, Blattsalat, Mais, Muscheln, Brokkoli – und Kuhdarm.

Was wir dir nicht vorenthalten wollen: Auch 100 Gramm Pommes frites bringen dir einen Boost von 2,5 mg Spermidin. Rein Spermidin-technisch wären Pommes also eine absolut haarige Empfehlung.

Spermidin Haarausfall: Grafik zeigt den Spermidin-Gehalt verschiedener Lebensmittel pro 100 g. Angeführt werden: – Weizenkeime mit 250 mg, – Tempeh und Pilze mit 9–10 mg, – Edamame, grüne Erbsen und Sojabohnen mit 5–6 mg, – Blattsalat, Mais, Muscheln, Brokkoli und Innereien mit 3–5 mg, – Kichererbsen, Blumenkohl, Knollensellerie und Pommes frites mit 2,5–3 mg. Links wird ein Spermidin-Molekül dargestellt.

Fazit

Spermidin ist eine äußerst spannende Substanz, die deinen Haaren einen echten Boost geben könnte. Erste Studien sind auf jeden Fall vielversprechend, vor allem bei diffusem Haarausfall und gesundem Haar. Vor erblich bedingtem Haarausfall wird Spermidin vermutlich nicht schützen können, aber es könnte ein möglicher unterstützender Baustein in der Behandlung sein.

Teile diesen Beitrag

Picture of Cand. med. Magdalena Riederer, BSc MSc

Cand. med. Magdalena Riederer, BSc MSc

Alena steht kurz vor dem Abschluss ihres Medizinstudiums an der Medizinischen Universität Wien und ist derzeit auf der ganzen Welt unterwegs, um unterschiedlichste Gesundheitssysteme von innen kennenzulernen. Mit ihrem Wissen über die komplexen Zusammenhänge im menschlichen Körper und ihrer Faszination für die neuesten Entwicklungen in der ästhetischen Dermatologie ist sie die perfekte Ansprechpartnerin für Themen an der Schnittstelle zwischen Gesundheit und Lifestyle.