Key Takeaways
Glycopyrronium hemmt die Aktivität eines Stoffs, der die Schweißdrüsen anregt.
Es gibt mittlerweile Zubereitungen, die man direkt auf die Haut aufträgt. Diese wirken gut und haben weniger Nebenwirkungen als Tabletten.
Im deutschsprachigen Raum ist Glycopyrroniumbromid als Wirkstoff in der Anti-Schweiß-Creme Axhidrox® erhältlich.
Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder Hautreizungen können vorkommen, sind aber meist mild und gut kontrollierbar.
Zum Auftragen von Glycopyrronium empfiehlt sich das Tragen von Einmalhandschuhen.
Ein bisschen Salbe auf die Achseln auftragen und schon ist dem Schwitzen der Gar ausgemacht. Das klingt nach ziemlich starker Erleichterung für Betroffene von starkem Schwitzen. Ein Wirkstoff, der genau das möglich machen kann, trägt den Namen Glycopyrronium. Dieses Medikament gibt es schon seit Jahrzehnten, doch lange Zeit war es nur in oraler Form verfügbar. Neuestens werden auch Zubereitungen zum Auftragen auf die Haut vertrieben. Wir schauen uns diese Formen von Glycopyrronium genauer an und klären, wie gut sie wirken und was man dafür in Kauf nehmen muss.
Was ist Glycopyrronium?
Bei dem schwer lesbaren Wort Glycopyrronium handelt es sich um ein Anticholinergikum. Das ist eine Wirkstoffklasse, die bestimmte Nervensignale blockiert. Genauer gesagt wird die Wirkung des Botenstoffs Acetylcholin gehemmt, der unter anderem auch die ekkrinen Schweißdrüsen aktiviert – aber eben auch nur unter anderem. Denn Acetylcholin wirkt nicht nur auf die Schweißdrüsen, sondern ist auch an vielen anderen Prozessen im Körper beteiligt, wie etwa an der Steuerung der Speichelproduktion, der Darmbewegung oder der Blasenfunktion. Deshalb kann ein Anticholinergikum wie Glycopyrronium auch unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, beispielsweise Mundtrockenheit, Verstopfungen oder Harnverhalt, wenn es in zu hohen Mengen in den Kreislauf gelangt.
Aus diesem Grund spielen oral eingenommene Anticholinergika wie Glycopyrronium in erster Linie bei generalisiertem übermäßigem Schwitzen, also wenn man am ganzen Körper sehr stark schwitzt oder wenn mehrere Stellen betroffen sind, eine Rolle. Denn für starkes Schwitzen unter den Achseln, an den Händen, Füßen oder im Gesicht gibt es schonendere Behandlungen.
Einer dieser schonenderen Ansätze ist die äußerliche Anwendung auf der Haut, als sogenannte topische Therapie. Dadurch gelangt der Wirkstoff weniger in den Blutkreislauf und Nebenwirkungen im ganzen Körper (sogenannte systemische Nebenwirkungen) können deutlich reduziert werden. Die Herausforderung liegt jedoch darin, solche Cremes oder Lösungen so zu entwickeln, dass sie lokal wirksam sind – also genau dort, wo sie gebraucht werden –, ohne viel Wirkstoff in den Körper aufzunehmen. Inzwischen stehen zwei solcher Formulierungen zur Verfügung: topisches Glycopyrroniumtosylat und topisches Glycopyrroniumbromid.

Topisches Glycopyrroniumtosylat
2018 wurde in den USA ein Präparat mit topischem Glycopyrronium in der Salzform Glycopyrroniumtosylat zugelassen. Es ist dort unter dem Markennamen Qbrexza erhältlich. Bei Qbrexza handelt es sich um ein Tuch, das mit 2,4% Glycopyrroniumtosylat getränkt ist, und mit dem man für die erwünschte Wirkung einmal täglich über die Achselhaut wischen muss. Es ist für Betroffene von axillärer Hyperhidrose – auf gut Deutsch starkem Achselschweiß – ab 9 Jahren zugelassen.
Topisches Glycopyrroniumbromid
Die quasi kleine Schwester vom US-amerikanischen Glycopyrroniumtosylat wurde in Europa von der Dr. Wolff Gruppe (bekannt vor allem für Alpecin) herausgebracht. Diese Variante basiert auf Glycopyrroniumbromid, einer Salzform, die auch in den oralen Medikamenten eingesetzt wird. In der topischen Formulierung ist sie jedoch speziell auf die äußerliche Anwendung abgestimmt und kommt als solche in Form einer 1%-Creme daher. Sie erhielt 2022 die erste nationale Zulassung für axilläre Hyperhidrose bei Erwachsenen. In Deutschland und Österreich ist die Anti-Schweiß-Creme unter dem Namen Axhidrox erhältlich; in der Schweiz gibt es bis dato keine Zulassung.
Wie gut wirkt topisches Glycopyrronium?
Sowohl topisches Glycopyrroniumtosylat als auch topisches Glycopyrroniumbromid konnten sich in Studien beweisen, indem sie die Schweißproduktion unter den Achseln signifikant reduzierten. Natürlich wäre es spannend zu wissen, welcher dieser beiden Stoffe wirksamer ist, doch leider existieren derzeit (noch) keine veröffentlichten Studien, die die topischen Anwendungen direkt miteinander vergleichen. Allerdings wurde schon vor einigen Jahren von der Dr. Wolff Gruppe so eine Studie initiiert, die genau diesen Vergleich zwischen der 1% Glycopyrroniumbromid-Creme (Axhidrox) und dem 2,4% Glycopyrroniumtosylat-Tuch (Qbrexza) untersuchen sollte. Die Studie wurde jedoch aus unbekannten Gründen eingestellt.
Obwohl also ein direkter Vergleich fehlt, zeigen separate Studien, dass beide Wirkstoffe zum Ziel führen: Mit topischem Glycopyrronium wird weniger geschwitzt. Nachdem in Deutschland und Österreich derzeit nur die Glycopyrroniumbromid-Creme zugelassen und erhältlich ist, hast du hier kaum die Qual der Wahl, denn die Glycopyrroniumtosylat-Tücher sind hierzulande nur über einen rezeptpflichtigen Einzelimport erhältlich. Praktisch ist also nur die Creme zu bekommen. Auf diese sprachen in der Zulassungsstudie sowohl bei der Schweißmenge als auch bei der Lebensqualität doppelt so viele Teilnehmer:innen an wie in der Placebo-Gruppe.
Nur für die Achseln?
Falls du nicht unter den Achseln, sondern an anderen Körperstellen übermäßig schwitzt, denkst du dir jetzt vielleicht: „Wie schaut’s denn dort aus? Kann ich topisches Glycopyrronium auch einfach im Gesicht, an den Händen oder an den Füßen anwenden?“ Streng genommen lautet die Antwort darauf nein, denn für diese Bereiche wurde das Medikament nicht zugelassen. Aber es ist auch nichts Ungewöhnliches, dass Medikamente off-label eingesetzt werden.
„Der Wirkstoff wird nicht an allen Körperstellen gleich aufgenommen. Offiziell ist er nur für die Achselhaut zugelassen.“
Bevor du Glycopyrronium nun sofort auf die Füße schmierst, solltest du aber Folgendes beachten: Die Aufnahme des Wirkstoffs variiert je nach Körperregion erheblich. An den Händen und Füßen ist sie bis zu 40-mal niedriger als in der Achselhöhle. Eine einfache Faustregel zur Anpassung der Menge und Einwirkzeit gibt es leider nicht. Zudem ist die Studienlage zur Anwendung von Glycopyrronium an anderen Körperstellen noch äußerst mager. Solch eine Anwendung sollte daher absolut nur unter ärztlicher Absprache erfolgen – dein Körper ist kein Versuchslabor!

Nebenwirkungen von Glycopyrronium
Orales Glycopyrronium
Je nach Dosierung musst du bei oraler Einnahme des Anticholinergikums Glycopyrronium mit Mundtrockenheit, Verstopfung, Problemen beim Wasserlassen, verschwommenem Sehen, Herzrasen, Schlafstörungen, Hitzewallungen und anderen unangenehmen Nebenwirkungen rechnen. Und wie sieht das Ganze bei den vorhandenen topischen Formulierungen aus? Der Wirkstoff kann ja schließlich auch über die Haut absorbiert werden und so in den Kreislauf kommen und systemisch wirken.
Topisches Glycopyrronium
Topisches Glycopyrroniumtosylat
Bei topischem Glycopyrroniumtosylat konnte man seit der Einführung schon so einige Daten sammeln. Die häufigste durch die anticholinerge Wirkung ausgelöste Nebenwirkung, die beobachtet wird, ist Mundtrockenheit. Daneben spielen gelegentlich auch verschwommenes Sehen und erweiterte Pupillen (wahrscheinlich eher durch direkten Augenkontakt verursacht) sowie erschwertes Wasserlassen eine Rolle.
Topisches Glycopyrroniumbromid
Beim in ausgewählten europäischen Ländern vertriebenen topischen Glycopyrroniumbromid liegen vor allem die Einblicke aus den Zulassungsstudien vor. Dort war die Verträglichkeit auf der Haut sehr gut; Irritationen, Rötungen und Juckreiz traten nur bei 9% auf. In Hinblick auf mögliche systemische anticholinerge Nebenwirkungen wurde Mundtrockenheit von 16% der Glycopyrroniumbromid-Gruppe erfahren, während diesen Effekt auch 4% der Placebo-Gruppe berichteten. Andere unerwünschte anticholinerge Effekte traten nicht vermehrt auf. In einer Studie mit einem Beobachtungshorizont über 52 Wochen war Mundtrockenheit bei 12% ein Thema, wobei die Nebenwirkung im Laufe der Zeit zahlenmäßig etwas zurückging.
„Bei falscher oder übermäßiger Anwendung von Glycopyrronium steigt das Risiko für Nebenwirkungen erheblich.“
Wichtige Hinweise
Besonders wichtig ist, dass du Glycopyrronium nur so anwendest, wie es dir ärztlich empfohlen wurde bzw. es in der Verpackungsbeilage steht. Wende es nicht häufiger oder an mehreren Lokalisationen an. Mehr ist hier absolut nicht besser – es steigt dadurch nur das Risiko für Nebenwirkungen. Kläre ebenso mit deinem Arzt oder deiner Ärztin mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten – auch solchen, die nicht verschreibungspflichtig sind – und sämtlichen pflanzlichen Mitteln, die du zu dir nimmst.
Auch wenn du Glycopyrronium nur äußerlich anwendest, kann es vor allem bei Kontakt mit empfindlichen Körperstellen zu unerwünschten Effekten kommen. Wenn Reste der Creme versehentlich ins Auge gelangen, kann das zu Sehstörungen, erweiterten Pupillen oder Unterschied der Pupillengröße führen. Gründliches Händewaschen (mindestens 30 Sekunden lang mit Wasser und Seife) hilft natürlich auch, aber um wirklich sicherzugehen und solchen Zwischenfällen besonders gut vorzubeugen, empfiehlt es sich, beim Auftragen von Glycopyrronium Einweghandschuhe zu tragen.

„Verwendet beim Auftragen von topischem Glycopyrronium am besten Handschuhe. So vermeidest du etwaige Nebenwirkungen an den Augen, die durch Überreste an den Händen bei anschließendem Augenkontakt auftreten können.“
Ebenso empfiehlt es sich, nicht direkt vor dem Auftragen von Glycopyrronium zu rasieren. Durch feine Hautabschürfungen und kleine -verletzungen kann mehr Wirkstoff in den Körper gelangen und damit das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen steigen.
Fazit
Äußerlich anzuwendende Glycopyrronium-Formulierungen sind eine echte Hilfe gegen starkes Schwitzen unter den Achseln. Sie wirken zuverlässig und sind dabei gut verträglich. Vor allem verursachen sie wesentlich weniger Nebenwirkungen als Tabletten – vorausgesetzt, die Anwendungsempfehlungen werden eingehalten.
Quellen
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