Key Takeaways
Bimatoprost und Latanoprost verlängern die Wachstumsphase und beschleunigen den Übergang aus der Ruhephase.
Bimatoprost sorgt für längere, dichtere und dunklere Wimpern. Der Effekt hält jedoch nur bei regelmäßiger Anwendung an.
Es handelt sich bei Prostaglandinen um ein Arzneimittel. Kosmetische Wimpernseren mit Prostaglandinen werden zunehmend kritisch betrachtet.
Bei fleckigem kreisrunden Haarausfall kann Bimatoprost eine alternative Behandlungsmöglichkeit darstellen.
Latanoprost wirkt langsamer und weniger intensiv als Bimatoprost.
Seren, die für längere und dichtere Wimpern sorgen sollen, haben in den letzten Jahren Einzug in den Kosmetikbeutel vieler Frauen gehalten. Viele dieser Seren enthalten sogenannte Prostaglandine, die für ein tolles Erscheinungsbild der Wimpern verantwortlich sind. Doch wie gut kurbelt Prostaglandin Haarwachstum wirklich an – und vor allem: Ist es sicher? Und kann Prostaglandin auch den Haaren auf der Kopfhaut einen Schub verleihen? Hier findest du die aktuellsten Infos zur Wirkung von Prostaglandin auf Haare.
Was ist Prostaglandin?
Prostaglandine sind hormonähnliche Substanzen, die aus einer Fettsäure in fast allen Zellen gebildet werden. Allerdings sind sie keine klassischen Hormone, die durch den ganzen Körper reisen. Prostaglandine wirken nämlich immer genau dort, wo sie gebraucht werden. Ob es darum geht, Wunden zu heilen, Schmerzen zu regulieren, oder sogar Geburtswehen einzuleiten – Prostaglandine sind wahre Multitalente, die unzählige Aufgaben übernehmen.
Ein bildlicher Vergleich: Prostaglandine agieren wie Manager, die unmittelbar auf Ereignisse direkt reagieren. Hormone hingegen sind wie Strategen, die die übergeordnete Steuerung innehaben und langfristig planen und handeln.
Warum interessieren uns nun diese Manager für das Haarwachstum? Gewisse Prostaglandine können die Haarfollikel stimulieren, wodurch die Wachstumsphase der Haare verlängert wird. Das bedeutet: Die Haare wachsen länger und fallen weniger schnell aus. Zudem sorgen sie dafür, dass die Haare schneller von der Ruhephase in die Wachstumsphase überführt werden.

Ursprünglich wurden diese Substanzen in der Augenmedizin entwickelt. Doch ein bemerkenswerter Nebeneffekt fiel schnell auf – die Wimpern der behandelten Personen wurden dichter, länger und kräftiger. Dieser unerwartete Beauty-Bonus führte dazu, dass Prostaglandine mittlerweile auch in der Forschung zum Kopfhaarwachstum untersucht werden. Insbesondere bei kreisrundem, Chemotherapie-bedingtem und androgenetischem Haarausfall könnten Prostaglandin-Analoga Potenzial haben. Zwei Vertreter sind hier im Fokus: Bimatoprost und Latanoprost.
„Prostaglandine sind hormonähnliche Substanzen im Körper. Künstlich hergestellte Prostaglandine, wie Bimatoprost und Latanoprost, werden als heiße Kandidaten zur Förderung von Haarwachstum gehandelt.“
Bimatoprost für Haarwachstum
Bimatoprost ist kein klassisches Prostaglandin-Analogon – also ein Stoff, der Prostaglandin nachahmt -, wird aber dennoch diesen zugeordnet. Genau genommen gehört es aber zur Klasse der Prostamide, die strukturell mit Prostaglandinen verwandt sind. Bimatoprost ist eine künstlich hergestellte Substanz, die seit den frühen 2000er-Jahren die Medizin aufgemischt hat: Ursprünglich als Therapie bei erhöhtem Augeninnendruck entwickelt, hat es sich schnell als hocheffektives Mittel für Glaukom (Grüner Star) entpuppt – und schließlich auch fürs Wimpernwachstum.
Wie Bimatoprost genau seine Wirkung erzielt, hat man bis dato noch nicht ganz durchschaut. Es wird jedoch angenommen, dass es hauptsächlich an Prostaglandin-F2α-Rezeptoren bindet und zusätzlich auch andere Signalwege aktiviert, was zu einer stärkeren Reaktion in den Haarfollikeln führen könnte.
Bimatoprost für Wimpern
Bimatoprost wurde 2008 in den USA als 0,03%-Lösung (Latisse®) für Patient:innen mit einem Mangel an Wimpern zugelassen. Dabei handelt es sich um ein Medikament – nicht um Kosmetik!
Doch wie kann es zu einem Wimpernmangel kommen?
- Alopecia areata (kreisrunder Haarausfall) kann auch die Wimpern betreffen.
- Chemotherapie kann die Wimpern angreifen.
- Ein Wimpernmangel kann auch genetisch bedingt sein.
Wimpern haben wesentlich mehr Funktionen als nur eine ästhetische: Sie fungieren als natürliche Barriere für Fremdkörper – nicht zuletzt über den Lidschlussreflex -, reduzieren die direkte Belastung der Augen durch Sonnenlicht, bieten einen Schutz vor Schweiß und übermäßiger Feuchtigkeit und sind ein unterstützendes Element in der nonverbalen Kommunikation, indem sie die Ausdruckskraft der Augen steigern.
Wenn du ein ärztlich verschriebenes Bimatoprost-Präparat nutzt (Off-Label, da in der EU keine Zulassung besteht), führt dies innerhalb von acht Wochen zu längeren, dickeren und dunkleren Wimpern. Nach etwa 20 Wochen ist die maximale Wirkung erreicht.
Du fragst dich, wie viel die Wimpern mit Bimatoprost wachsen? Die Forschung präsentiert hier sehr unterschiedliche Ergebnisse: So konnte eine Studie nach sechs Monaten ein durchschnittliches Wachstum von 0,77 mm nachweisen, während die Kontrollgruppe sogar 0,12 mm an Länge in derselben Zeit verlor. Eine andere Untersuchung spricht von einem Zuwachs von 2,0 mm im Vergleich zu 1,1 mm. Das Serum muss täglich (am besten vor dem Schlafengehen) auf den Wimpernkranz dünn aufgetragen werden.
„Bei täglicher Anwendung führt Bimatoprost innerhalb von zwei Monaten zu längeren, dickeren und sogar dunkleren Wimpern. Aber: Sobald du es absetzt, verschwindet der Effekt wieder.“
Bimatoprost wirkt bei den meisten und sorgte so bei 92,5% der Anwender:innen für Zufriedenheit, wie eine Studie mit fast 600 Teilnehmer:innen zeigte. Wenn Bimatoprost jedoch nicht mehr verwendet wird, verschwinden die positiven Effekte kontinuierlich wieder. Daher soll die Behandlung zur Aufrechterhaltung der Effekte etwa dreimal pro Woche weitergeführt werden.
Chemotherapie-bedingter Haarausfall der Wimpern
Der positive Effekt auf das Wimpernwachstum ist auch bei Betroffenen von Chemotherapie-bedingtem Haarausfall nachgewiesen. Bimatoprost beschleunigte in Studien die Erholung der Wimpern nach einer Chemo signifikant (Erfolgsrate 47% nach sechs Monaten, verglichen mit 19% in der Kontrollgruppe).
Wichtig: Der Wirkstoff sollte nicht vor oder während der Chemotherapie angewendet werden. Die durchblutungsfördernde Wirkung von Bimatoprost kann während der Chemotherapie dazu führen, dass vermehrt schädliche Chemo-Wirkstoffe in die Haarfollikeln gelangen. Warte, bis die Therapie abgeschlossen ist.
Mehr dazu hier: Chemotherapie-bedingter Haarausfall
Kreisrunder Haarausfall der Wimpern
Beim kreisrunden Haarausfall sieht es leider etwas anders aus – hier ist die Studienlage nicht so eindeutig. Während einige Studien kaum positive Effekte von Bimatoprost nachweisen konnten, wurde bei anderen ein Erfolg verzeichnet: Bei Patient:innen mit Alopecia areata universalis wurde innerhalb eines Jahres bei 43% ein vollständiges oder zumindest moderates Wachstum erzielt. Allerdings ist zu beachten, dass bei dieser Studie vorab eine Therapie mit einem stark wirksamen Kortikosteroid durchgeführt wurde, die erst 4 Monate zuvor beendet wurde
Tendenziell wird vermutet, dass Bimatoprost bei Alopecia areata bedingtem Wimpernmangel in erster Linie bei Patient:innen Wirkung zeigt, die eine geringere Ausprägung der Krankheit haben.
Mehr dazu hier: Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata)
Nebenwirkungen von Wimpernseren mit Prostaglandinen
Auf Social Media wird zunehmend vor Wimpernseren gewarnt – und das ist teilweise berechtigt. Während Analysen vor einigen Jahren lediglich eine vermehrt auftretende Bindehautrötung berichteten, hat sich die Einschätzung der Sicherheit in den letzten Jahren gewandelt.
- Rötungen und Juckreiz sind häufig. Ebenso kann es zu dunkleren Verfärbungen der Augenlieder kommen. Diese Nebenwirkungen verschwinden in der Regel, wenn man aufhört.
- Irisverfärbung: Bei der Anwendung auf der Haut (als Lidstrich) ist das Risiko, dass sich blaue Augen braun verfärben, extrem gering, aber theoretisch nicht null. Achte darauf, das Wimpernserum in geringer Menge gezielt auf die Haut aufzutragen.
- „Sunken Eye“ Phänomen: Dies ist der wichtigste Punkt, der früher oft übersehen wurde. Prostaglandine können zu einer sogenannten periorbitalen Fettgewebsatrophie führen. Das bedeutet, dass das Fettpolster um das Auge abschmilzt. Die Augen wirken tieferliegend und hohl, wodurch das Gesicht älter wirkt.
„Bimatoprost ist wirksam, aber kein reines Kosmetikprodukt. Das Risiko von Fettgewebsverlust um das Auge sollte vor der Anwendung bedacht werden.“
Warum viele Prostaglandin-Wimpernseren bald verschwinden könnten
Derzeit werden Prostaglandin-Analoga, die bislang frei verkäuflich in kosmetischen Wimpernseren verwendet werden, von der EU neu bewertet. Das Expertengremium kam bereits zu dem vorläufigen Schluss, dass Methylamido-Dihydro-Noralfaprostal (MDN), Isopropyl-Cloprostenate (IPCP) und Dechloro-Dihydroxy-Difluoro-Ethylcloprostenolamid (DDDE) nicht mehr als Kosmetikprodukte vertrieben werden dürfen. Diese Wirkstoffe wirken nicht nur kosmetisch, sondern ähnlich wie Arzneimittel. Damit könnten einige der bekannten Wimpernseren in Zukunft vom Markt verschwinden oder neu formuliert werden.
Bimatoprost für Augenbrauen
Wenn Bimatoprost so gut für Wimpern wirkt, wie sieht es dann bei Augenbrauen aus? Auch Augenbrauen sind nicht rein ästhetisch von Bedeutung. Sie sind hauptverantwortlich dafür, dass Schweiß und Wasser seitlich vom Auge weggeleitet werden und betonen Gesichtsausdrücke besonders stark.
Auch bei den Augenbrauen wirkt Bimatoprost. Die ersten Verbesserungen werden nach etwa zwei Monaten wahrgenommen. Nach ca. sechs Monaten hat sich die volle Wirkung von Bimatoprost entfaltet. Ob du Bimatoprost einmal oder zweimal täglich aufträgst, scheint dabei keinen signifikanten Unterschied zu machen. Ebenso klappt die Behandlung mit 0,01% oder 0,03% Bimatoprost etwa gleich gut.
Im Gegensatz zu den Wimpern gibt es für Augenbrauen mit Minoxidil (2% oder 3%) eine frei verkäufliche und (fast) gleichwertige Alternative zu Bimatoprost. Allerdings verursacht Bimatoprost weniger Hautreaktionen als Minoxidil und scheint dadurch auf den Augenbrauen besser verträglich zu sein.

Bimatoprost für Kopfhaut
Lass uns nun schauen, ob sich Bimatoprost auch für die Kopfbehaarung eignet. Die Schwierigkeit bei der Behandlung der Kopfhaut liegt in ihrer Dicke – und die kann am Hinterkopf auch einmal gut und gerne einen ganzen Zentimeter betragen. Dementsprechend tief liegen dann auch die Haarfollikel, nämlich oft bis zu 6 mm. Dorthin muss eine Substanz aber gelangen, um ihre Wirkung zu entfalten. Eine ganz schöne Herausforderung also.
Kreisrunder Haarausfall
Die erste klinische Studie zu Bimatoprost bei fleckigem kreisrundem Haarausfall auf der Kopfhaut wurde 2015 durchgeführt – und das Ergebnis hat positiv gestimmt: Bimatoprost 0,03% verhalf in 83% der Fälle zu Haarwachstum mit einem durchschnittlichen Haarwachstum von 49%. Im Vergleich dazu war die Behandlung mit Mometasonfuroat, einem stark wirksamen Kortikosteroid, in 57% mit durchschnittlich 22% Haarwachstum erfolgreich. Bimatoprost bot außerdem weitere Vorteile: Patient:innen sprachen schneller auf die Therapie an, bekamen pigmentierte Haare und profitierten von weniger Nebenwirkungen. Bimatoprost wurde dabei zweimal täglich auf die betroffenen Stellen aufgetragen und zusätzlich im Anschluss mit Hilfe einer Kopfbedeckung für jeweils zwei Stunden abgedeckt.
„Bei fleckiger Alopecia areata auf der Kopfhaut scheint Bimatoprost eine gute Therapieoption zu sein.“
Bimatoprost erwies sich sogar als gleich effektiv wie Clobetasolpropionat, ein hochwirksames topisches Kortikosteroid, das noch potenter ist als Mometasonfuroat. Für eine verbesserte Aufnahme kann Bimatoprost mit Microneedling kombiniert werden.
Erblich bedingter Haarausfall
Für erblich bedingten Haarausfall erhoffte man sich viel von Bimatoprost, doch der Durchbruch blieb bis dato aus. Zwar ist Bimatoprost in Tierstudien teils stärker als Minoxidil, aber für den Menschen fehlen bislang die perfekten Transportsysteme zu den Haarfollikeln.
Mehr dazu hier: Erblich bedingter Haarausfall (Androgenetische Alopezie)
Latanoprost für Haarwachstum
Latanoprost ist ein Prostaglandin-Analoga, also ein künstlich hergestelltes Prostaglandin, das eine ähnliche Wirkung wie natürliches Prostaglandin hat (quasi ein Nachahmstoff). Für seine Wirkung muss es – im Unterschied zu Bimatoprost – im Körper in seine aktive Form, die Latanoprostsäure, umgewandelt werden. Die aktive Latanoprostsäure wirkt dann lokal an den Haarfollikeln, wo sie die Prostaglandin-F2α-Rezeptoren aktiviert.
Latanoprost für Wimpern
Im Allgemeinen scheint Latanoprost das Wimpernwachstum nicht so stark zu stimulieren wie Bimatoprost. Außerdem dauert es mit Latanoprost auch länger, bis der Effekt eintritt.
Bei Alopecia areata fallen die Ergebnisse zum Wimpernwachstum – wie auch schon bei Bimatoprost – sehr unterschiedlich aus.
„Bimatoprost kurbelt das Wimpernwachstum besser und schneller an als Latanoprost.“
Latanoprost für Kopfhaut
Kreisrunder Haarausfall
Latanoprost zeigt in der Therapie von kreisrundem Haarausfall auf der Kopfhaut Potenzial. Allerdings beschränkt sich die Studienlage bis dato auf fleckige Alopecia areata. Latanoprost wird dabei in einer Konzentration von 0,005% bis 0,01% eingesetzt und generell als ergänzender Wirkstoff zu Kortikosteroiden empfohlen. Auch wenn Latanoprost weniger effektiv als das hochpotente Betamethasondipropionat ist, so ist es wesentlich sicherer und bringt kaum Nebenwirkungen mit sich. Von der zusätzlichen Therapie mit Latanoprost kannst du also eigentlich nur profitieren.
Erblich bedingter Haarausfall
Zum Einsatz von Latanoprost bei erblich bedingtem Haarausfall ist die Studienlage spärlich. Zumindest gibt es im Unterschied zu Bimatoprost jedoch neben einer erfolgreichen Tierstudie auch bereits eine kleine klinische Studie an jungen betroffenen Männern, die Hoffnung schürt: Latanoprost 0,1% führte bei täglicher Anwendung innerhalb von 24 Wochen zu mehr Haardichte. Allerdings benötigt es weitere Untersuchungen, um die Wirksamkeit zu belegen und zu vergleichen.

Fazit
Mit Prostaglandin Haarwachstum anzukurbeln, funktioniert. Insbesondere für den positiven Effekt auf Wimpern liegen bereits viele Studien vor, die genau das belegen. Doch was früher als harmloser Beauty-Hack galt, wird heute zunehmend als medizinische Therapie mit entsprechenden Risiken betrachtet. Als Arzneimittel kann sie jedoch von Wimpernmangel Betroffenen Abhilfe verschaffen. Außerdem können Prostaglandine angewendet auf der Kopfhaut eine interessante Alternative bei fleckigem kreisrunden Haarausfall sein.
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